Grundeinkommen

In den Diskussionen zur Kulturfinanzierung spielt das bedingungslose Grundeinkommen eine wichtige Rolle – allerdings kann der Kulturbereich dabei nicht unabhängig betrachtet werden. Ziel muss ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle sein.

Das Thema ist durch die Coronakrise noch einmal zugespitzt worden: Der Lockdown hat klar gemacht, wie viele Kulturschaffende ohne finanzielles Polster, ohne ausreichende Sozialversicherung und unter teils selbstausbeuterischen Arbeitsbedingungen ihr «täglich Brot» verdienen – und auf einen Schlag eben nicht mehr verdienen konnten. Pessimistische Stimmen befürchten, dass diese Veränderungen so einschneidend und langfristig sein könnten, dass das «Berufsfeld Kultur» insgesamt in Frage gestellt ist. Kann ich als freischaffende, sogar als etablierte, erfolgreiche Künstlerin unter Coronabedingungen meinen Beruf noch wie bisher ausüben? Oder muss ich mir, wenn die Auftrittsmöglichkeiten rar werden, wenn Veranstalter die Türe für immer schliessen oder das Publikum ausbleibt, eine neue Berufsexistenz aufbauen? Was könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen an dieser Situation ändern?

Immerhin ein knappes Viertel sagte Ja:
Die Abstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen in der Schweiz

2016 hat die Schweiz als erstes Land über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt. Die Abstimmung ging zwar zuungunsten der Initiative aus. Aber schweizweit haben immerhin 23.1 Prozent der Vorlage zugestimmt. Das sind 568’905 Menschen. Den höchsten Ja-Anteil gab es in Basel-Stadt mit 36 Prozent, den höchsten Nein-Anteil in Appenzell Innerrhoden mit 87,4 Prozent.

mehr Infos: www.grundeinkommen.ch.

 

Sicherheit macht kreativ:
Das Pilotprojekt Grundeinkommen in Deutschland

Die Initiant*innen fassen ihre Erfahrungen unter anderem so zusammen:

«(…) Hier stiftet unser Grundeinkommens-Versuch der letzten sechs Jahre Hoffnung. Über 650 Menschen erhielten ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro Grundeinkommen ausgezahlt, bedingungslos. Darunter waren Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft, vom Obdachlosen bis zum Millionenerben, von CSU bis Linkspartei, vom Schüler bis zur Rentnerin. Alle berichten immer wieder eine ähnliche Erfahrung: Das Sicherheitsversprechen des Grundeinkommens setzt neue Energie frei. Obwohl die EmpfängerInnen oft sogar mehr gearbeitet, gelernt oder sich engagiert haben, sank ihr wahrgenommener Stress. Ersetzt wurde er durch ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, also dem Glauben, das Leben selbst beeinflussen und mitgestalten zu können. Mit dem bedingungslos entgegengebrachten Vertrauen eines Grundeinkommens hatten die Menschen die Möglichkeit, ihre Existenzängste genauer anzuschauen und zu reflektieren. Möchte ich wirklich so viel in diesem Job arbeiten? Was steckt hinter dem Bedürfnis nach einem Luxusartikel, einer Fern- reise? Was will ich wirklich? Sie trauten sich, kreativ und mutig ihre Lebensbahnen zu steuern – woraus wiederum neues Vertrauen erwachsen ist. Die EmpfängerInnen beschrieben dieses Gefühl ebenfalls als Kreislauf, aber als einen positiven, der noch Jahre nach dem Grundeinkommen anhielt.

Das Geld scheint dabei nur nebensächlich zu sein. Häufig haben es die GewinnerInnen gar nicht oder nur in Teilen ausgegeben. Es war die bedingungslose Auszahlung, die zur Veränderung führte. Sie wurde wie ein Vertrauensvorschuss empfunden, wie eine Verantwortungsübertragung. Wenn mir eine anonyme Gruppe jeden Monat Geld auszahlt, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, dann liegt der Ball bei mir, dann möchte ich etwas Sinnvolles damit machen.

pilotprojekt-grundeinkommen.de/

 

Ein neuer Anlauf:
Pilotprojekte in Zürich und anderswo

«Wir wollen Fakten zum bedingungslosen Grundeinkommen schaffen. Die Zeit ist reif für Experimente»: So begründet der Verein Pilotprojekte.ch sein Engagement. Er bietet eine Starthilfe für lokale und regionale Pilotprojekte zum Grundeinkommen in der Schweiz. «Gemeinsam wollen wir herausfinden, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickeln kann.»

https://www.pilotprojekte.ch/

Konkret hat das Komitee pilotprojekte.ch eine Initiative in der Stadt Zürich gestartet. Nachstehend die Informationen:

Die Idee des Grundeinkommen hat spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie an Aktualität gewonnen. Zu viele Fragen sind aber ungeklärt: Was löst ein monatliches Grundeinkommen in der Bevölkerung und bei Einzelpersonen aus? Macht es die Menschen passiv oder setzt es Kapazitäten für neue Engagements frei? Wie hoch soll ein Grundeinkommen sein? Wie wird es finanziert? Ein lokaler, zeitlich beschränkter und wissenschaftlich begleiteter Pilotversuch in der Stadt Zürich kann auf diese Fragen Antworten liefern. Ein Pilotversuch ermöglicht, Fakten zu sammeln, Daten zu erheben und aussagekräftige Resultate zu liefern statt bei vagen Annahmen zu bleiben.

Gemäss den Vorstellungen des Initiativkomitees sollen bei diesem Pilotversuch mindestens 500 Personen über drei Jahre ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Allerdings soll die wissenschaftliche Versuchsanordnung über die genaue Anzahl bestimmen. Ausgewählt werden können alle mündigen und in der Stadt Zürich angemeldeten Personen, die entweder das Schweizer Bürgerrecht oder eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen. Beim Versuch wird eine repräsentative Gruppe von Proband*innen mit Grundeinkommen einer Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen gegenübergestellt.

Die Höhe des Grundeinkommens darf nicht unter dem in der Stadt Zürich üblichen Betrag für ein Soziales Existenzminimum plus Einkommensfreibetrag/Integrationszulage liegen. Der effektiv ausbezahlte Betrag sinkt mit zunehmendem steuerbarem Einkommen, bis er bei einem zu bestimmenden Einkommen 0 erreicht.

Die Berechnung der Kosten ist komplex und lässt sich erst nach der Durchführung des Pilotversuches eruieren. Dabei spielt die Anzahl der Proband*innen und die effektiv geleisteten Auszahlungen sowie die Kosten für die Durchführung der Studie selbst eine Rolle. Demgegenüber stehen direkte und indirekte Einsparungen, weil bestimmte Sozialleistungen nicht mehr geleistet und entsprechende Berechtigungen nicht mehr geprüft werden müssen. Die Stadt kann ausserdem Forschungsgelder und Spenden von Stiftungen für den Pilotversuch generieren.

Die Zeit ist reif, das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz zu testen. Die Wirkung eines Grundeinkommens wurde bereits in Finnland, Kanada, Deutschland und in den USA erforscht. Positive Auswirkungen auf Gesundheit, Bildung sowie bezahltes wie auch unbezahltes Engagement konnten teilweise nachgewiesen werden. Doch die wissenschaftlichen Belege sind noch unzureichend.

Angesichts der enormen Unwägbarkeiten im Zuge der Digitalisierung und der grossen wirtschaftlichen Unsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie sind neue Rezepte dringend gefordert. Der Pilotversuch will hier Licht ins Dunkel bringen, wissenschaftlich basierte Resultate liefern.

wecollect.ch/projekte/grundeinkommen-initiative-zurich

 

Noch ein neuer Anlauf: der Basler Verein Grundeinkommen

Der in Basel beheimatete Verein Grundeinkommen hat sich zum Ziel gesetzt, dem Thema ernsthaft, aber auch spielerisch auf den Grund zu gehen. Bisher sind eine Reihe von Video-Gesprächen publiziert. Unter dem Namen «Grundeinkommen – Was geht?» beleuchtet Silvan Groher, Geschäftsführer des Vereins, darin Themen rund um das bedingungslose Grundeinkommen mit Gästen aus dem In- und Ausland.

Die Gespräche finden jeweils am Montag um 14 Uhr statt, sämtliche Interviews sind danach als Videobeiträge auf www.deinbge.ch, auf YouTube und Facebook verfügbar.

https://www.deinbge.ch/grundeinkommen-was-geht-0

https://www.deinbge.ch/was-wir-tun